12. Harnorgane

Die Beurteilung des GdS bei Schäden der Harnorgane richtet sich nach dem Ausmaß der Störungen der inkretorischen und exkretorischen Nierenfunktion und/oder des Harntransportes, das durch spezielle Untersuchungen zu erfassen ist.

Daneben sind die Beteiligung anderer Organe (z. B. Herz/Kreislauf, Zentralnervensystem, Skelettsystem), die Aktivität eines Entzündungsprozesses, die Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die notwendige Beschränkung in der Lebensführung zu berücksichtigen.

Unter dem im Folgenden verwendeten Begriff „Funktionseinschränkung der Nieren“ ist die Retention harnpflichtiger Substanzen zu verstehen.

2.1 Nierenschäden

12.1.1

Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere bei Gesundheit der anderen Niere

25

Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere bei Schaden der anderen Niere, ohne Einschränkung der Nierenfunktion, mit krankhaftem Harnbefund

30

Nierenfehlbildung (z. B. Erweiterung des Nierenhohlsystems bei Ureterabgangsstenose, Nierenhypoplasie, Zystennieren, Nierenzysten, Beckenniere), Nephroptose

ohne wesentliche Beschwerden und ohne Funktionseinschränkung

0-10

mit wesentlichen Beschwerden und ohne Funktionseinschränkung

20-30

Nierensteinleiden ohne Funktionseinschränkung der Niere

mit Koliken in Abständen von mehreren Monaten

0-10

mit häufigeren Koliken, Intervallbeschwerden und wiederholten Harnwegsinfekten

20-30

Nierenschäden ohne Einschränkung der Nierenfunktion (z. B. Glomerulopathien, tubulointerstitielle Nephropathien, vaskuläre Nephropathien), ohne Beschwerden, mit krankhaftem Harnbefund (Eiweiß und/oder Erythrozyten- bzw. Leukozytenausscheidung)

0-10

12.1.2

Nierenschäden ohne Einschränkung der Nierenfunktion, mit Beschwerden rezidivierende Makrohämaturie, je nach Häufigkeit

10-30

Nephrotisches Syndrom

kompensiert (keine Ödeme)

20-30

dekompensiert (mit Ödemen)

40-50

bei Systemerkrankungen mit Notwendigkeit einer immunsuppressiven Behandlung

50

12.1.3

Nierenschäden mit Einschränkung der Nierenfunktion

Eine geringfügige Einschränkung der Kreatininclearance auf 50–80 ml/min bei im Normbereich liegenden Serumkreatininwerten bedingt keinen messbaren GdS

Nierenfunktionseinschränkung

leichten Grades (Serumkreatininwerte unter 2 mg/dl [Kreatininclearance ca. 35–50 ml/min], Allgemeinbefinden nicht oder nicht wesentlich reduziert, keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit)

20-30

(Serumkreatininwerte andauernd zwischen 2 und 4 mg/dl erhöht, Allgemeinbefinden wenig reduziert, leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit)

40

mittleren Grades (Serumkreatininwerte andauernd zwischen 4 und 8 mg/dl erhöht, Allgemeinbefinden stärker beeinträchtigt, mäßige Einschränkung der Leistungsfähigkeit)

50-70

schweren Grades (Serumkreatininwerte dauernd über 8 mg/dl, Allgemeinbefinden stark gestört, starke Einschränkung der Leistungsfähigkeit, bei Kindern keine normalen Schulleistungen mehr)

80-100

Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere mit Funktionseinschränkung der anderen Niere

40-50

mittleren Grades

60-80

schweren Grades

90-100

Notwendigkeit der Dauerbehandlung mit Blutreinigungsverfahren (z. B. Hämodialyse, Peritonealdialyse)

100

Bei allen Nierenschäden mit Funktionseinschränkungen sind Sekundärleiden (z. B. Hypertonie, ausgeprägte Anämie [Hb-Wert unter 8 g/dl], Polyneuropathie, Osteopathie) zusätzlich zu bewerten.

12.1.4

Nach Nierentransplantation ist eine Heilungsbewährung abzuwarten (im Allgemeinen zwei Jahre); während dieser Zeit ist ein GdS von 100 anzusetzen. Danach ist der GdS entscheidend abhängig von der verbliebenen Funktionsstörung; unter Mitberücksichtigung der erforderlichen Immunsuppression ist jedoch der GdS nicht niedriger als 50 zu bewerten.

Nach Entfernung eines malignen Nierentumors oder Nierenbeckentumors ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.

GdS während einer Heilungsbewährung von zwei Jahren

nach Entfernung eines Nierenzellkarzinoms (Hypernephrom) im Stadium T1 N0 M0 (Grading G1)

50

nach Entfernung eines Nierenbeckentumors im Stadium Ta N0 M0 (Grading G1)

50

GdS während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren nach Entfernung eines Nierenzellkarzinoms (Hypernephrom)

im Stadium (T1 [Grading ab G2], T2) N0 M0

60

in höheren Stadien

80

nach Entfernung eines Nierenbeckentumors

im Stadium (T1 bis T2) N0 M0

60

in höheren Stadien

80

nach Entfernung eines Nephroblastoms

im Stadium I und II

60

in höheren Stadien

80

12.2 Schäden der Harnwege

12.2.1

Chronische Harnwegsentzündungen (insbesondere chronische Harnblasenentzündung)

leichten Grades (ohne wesentliche Miktionsstörungen)

0-10

stärkeren Grades

(mit erheblichen und häufigen Miktionsstörungen)

20-40

chronische Harnblasenentzündung mit Schrumpfblase (Fassungsvermögen unter 100 ml, Blasentenesmen)

50-70

12.2.2

Bei Entleerungsstörungen der Blase (auch durch Harnröhrenverengung) sind Begleiterscheinungen (z. B. Hautschäden, Harnwegsentzündungen) ggf. zusätzlich zu bewerten.

Entleerungsstörungen der Blase

leichten Grades (z. B. geringe Restharnbildung, längeres Nachträufeln)

10

stärkeren Grades (z. B. Notwendigkeit manueller Entleerung, Anwendung eines Blasenschrittmachers, erhebliche Restharnbildung, schmerzhaftes Harnlassen)

20-40

mit Notwendigkeit regelmäßigen Katheterisierens, eines Dauerkatheters, eines suprapubischen Blasenfistelkatheters oder Notwendigkeit eines Urinals, ohne wesentliche Begleiterscheinungen

50

12.2.3

Nach Entfernung eines malignen Blasentumors ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.

GdS während einer Heilungsbewährung von zwei Jahren

nach Entfernung des Tumors im Frühstadium unter Belassung der Harnblase (Ta bis T1) N0 M0, Grading G1

50

GdS während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren

nach Entfernung im Stadium Tis oder T1 (Grading ab G2)

50

nach Entfernung in den Stadien (T2 bis T3a) N0 M0

60

mit Blasenentfernung einschließlich künstlicher Harnableitung

80

nach Entfernung in höheren Stadien

100

12.2.4

Harninkontinenz

relative

leichter Harnabgang bei Belastung (z. B. Stressinkontinenz Grad I)

0-10

Harnabgang tags und nachts (z. B. Stressinkontinenz Grad II-III)

20-40

völlige Harninkontinenz

50

bei ungünstiger Versorgungsmöglichkeit

60-70

nach Implantation einer Sphinkterprothese mit guter Funktion

20

Harnröhren-Hautfistel der vorderen Harnröhre bei Harnkontinenz

10

Harnweg-Darmfistel bei Analkontinenz, je nach Luft- und Stuhlentleerung über die Harnröhre

30-50

Künstliche Harnableitung (ohne Nierenfunktionsstörung)

in den Darm

30

nach außen

mit guter Versorgungsmöglichkeit

50

sonst (z. B. bei Stenose, Retraktion, Abdichtungsproblemen)

60-80

Darmneoblase mit ausreichendem Fassungsvermögen, ohne Harnstau, ohne wesentliche Entleerungsstörungen

30


Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung


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